Hütemix

21. September 2022Konsequentes Training in der Pubertät – oder wie man einen Hund überfordert

Hu! Eigentlich wollten wir hier ja mal regelmäßig Blogartikel veröffentlichen. Nur war unser Alltag irgendwie nicht damit einverstanden ;) Aber in diesem Moment mit etwas Zeit und Muße gesegnet, möchte ich über ein reales Ereignis an dem heutigen, sonnigen Herbstmorgen berichten. Und ein paar Tipps für Halter von pubertierenden Hündchen da lassen.

Oha, da kommt ein Pubertier 😉

Beim Spaziergang mit meiner Ella traf ich eine junge Dame mit einem noch jüngeren Rüden, der nach unserer Sichtung sofort von seiner Halterin angeleint wurde (Danke dafür). Der Jungspund war von ca. 20 Meter Entfernung bereits sehr aufgeregt, das Näherkommen gab noch einen drauf. Und so ging ich mit Ella einen Meter abseits, vom Wegesrand in die Wiese, um es nicht nur meiner Hündin, sondern beiden Hunden etwas leichter zu machen, aneinander vorbeizukommen. Ella hat mit Dynamik und Aufregung ein gewisses Thema, bei fremden Hunden umso mehr. Ihr half der leicht vergrößerte Abstand, dem Jungi allerdings nicht.

„Super, wir üben gerade mal mit Ihnen“

Die Frau war nett und offen und sofort ergab sich ein Gespräch. So erfuhr ich, dass der Bub ein Mix aus zwei anspruchsvollen Hütehundrassen und mit seinem guten Dreivierteljahr mitten in der Pubertät ist. Sie freute sich über unseren netten Kontakt und sagte nach einem kurzen Austausch „Super, wir nutzen diese Situation mal gerade zum Üben“ – und verlangte von dem überforderten Hund ein Sitz … Das brachte der Hund gerade noch so zustande, allerdings nur kurz, denn die Spannung musste sich weiterhin durch Bewegung entladen. Dann verlangte sie von dem Hund ein Platz und der Hund war weit davon entfernt, das leisten zu können. Nach ca. zehn geäußerten „Platz“ drückte sie den Hund zuerst ins Sitz und zog ihn dann sanft an seinen Vorderpfoten ins Platz. Der Bub stellte sich sofort wieder auf und wuselte weiter. Die nette junge Dame meinte es dabei gut und erklärte mir „Ich muss das mit ihm gerade jetzt konsequent durchziehen. Wenn ich das nicht mache, dann wird das nur schlimmer und ich werde auch nach der Pubertät dem Hund nicht mehr Herr.“

Keine ungefragten Tipps – auch nicht vom Hundetrainer

Hier haben wir ein klassisches Beispiel davon, wie ein Mensch es gut mit seinem Hund meint und dennoch an dessen Bedürfnissen vorbei agiert. Ich hatte zwar heute Morgen einen meiner geliebten Hoodies an mit unserem Logo drauf, aber ich hörte der Frau einfach zu, ohne ihre Meinung zu kommentieren oder mich als Hundetrainerin zu „outen“. Ich kann es kaum ertragen, wenn mir irgendein wildfremder Mensch ungefragte Ratschläge über mich und Ella gibt und deshalb verzichte ich selbst auf solche Übergriffe. Zumal ich ansonsten nichts über die junge Dame und ihren Hund wusste, z.B. ob sie irgendwo in der Hundeschule ist und ihr Trainer sie diesbezüglich – hoffentlich – noch unterrichten würde.

Überforderung ist ein schlechter Lehrmeister

Was hier jedoch auf der Hand lag: Der Stresspegel des Hundes und die Anforderungen der Halterin standen einander viel zu sehr im Weg, um gemeinsam gut und lehrreich aus einer solchen Situation zu gehen. Die Halterin verlangte etwas von dem Hund, was er gerade nicht leisten konnte: Sie forderte mit ihrem „Sitz“ bzw. „Platz“, dass der Hund sich in „Ruhe“ begibt und wünschte sich, dass er sich entspannt. Man kann kein Lebewesen dazu zwingen, sich aus massivem Stress heraus innerhalb von Sekunden in die personifizierte Entspannung zu verwandeln. Zumindest nicht ohne Zuhilfenahme starker Betäubungsmittel.

Zuviel Druck lässt den Kessel pfeifen

Die Erwartungshaltung, die Angespanntheit sowie der Leistungsdruck der Halterin auf den Hund bereiteten ihm zusätzlichen Druck. Er war massiv überfordert. Erst als wir uns beim Reden langsam weiter bewegten und sich der Abstand zwischen uns vergrößerte, wurde der Bub ein kleines bisschen ruhiger. Zu guter Letzt fragte die nette Dame noch, ob wir die Hunde nicht doch mal schnuppern lassen sollen. Ich sagte ihr freundlich, dass ich das nicht möchte, was sie anstandslos akzeptierte. Selbst, wenn meine – mittlerweile erstaunlich coole – Ella irgendeinen Mehrwert gehabt hätte, in Kontakt mit einen wildfremden, aufgeregten Jungspund zu gehen, wäre das für den eh schon verzweifelten Hütebub nur Wasser auf die Mühlen gewesen.

Fünf Tipps für Halter von Pubertieren

Wäre die nette Frau unsere Kundin, würden wir ihr folgende Tipps geben:

Training: Verständnis vs. missverstandene Konsequenz

Verlange nichts von deinem Hund, was er in dem Moment nicht leisten kann! Die Pubertät ist nicht die letzte Stufe zur Weltherrschaft, wenn man nicht „konsequent trainiert“. Konsequent trainieren bedeutet nicht, Unmögliches von dem Hund zu verlangen. Es bedeutet, das Training dem emotionalen Zustand und damit der aktuellen Leistungsfähigkeit des Hundes anzupassen, nicht den eigenen menschlichen Vorstellungen, wie ein Hund zu funktionieren hat. Der ein Lebewesen ist und keine Maschine. Konsequent trainieren bedeutet nicht, auf Teufelkommraus Kommandos zu erzwingen.

Das hündische Gefühlsleben: Hilfe statt Härte

Tatsächlich ist die Pubertät für deinen Hund meeega anstrengend! Sie ist eine Riesen Umbauphase in Kopf und Körper und es kommt oft vor, dass sich von der einen auf die andere Sekunde alles falsch, gruselig, stressig, erschreckend oder auch lustig für deinen Hund anfühlt. So ähnlich wie bei uns Menschen eben auch. Dein Hund braucht jetzt keine Härte, sondern deine Hilfe.

Reize & Training: Das richtige Verhältnis

Wähle die richtigen Abstände zu anderen Hunden und sonstigen Reizen und dazu die richtige Zeitspanne, in der der Hund diese Konfrontation schafft. Zwinge deinen Hund nicht an allen Reizen im Abstand von einem Meter vorbei, weil er „es ja lernen muss“. Konzentriere dich weniger auf Sitz-Platz-Fuß als darauf, etwas Schönes mit deinem Hund zu unternehmen und etwas von ihm zu verlangen, das er gerade leisten kann. Ein bisschen Diskussion und ein bisschen Durchsetzen ist absolut okay, dazu muss der Hund jedoch auch gerade in der Lage und ansprechbar genug sein. Ist er das nicht, dann geht ihr auch nicht mit dem gewünschten Lerneffekt aus der Sache raus. Eher mit einem unerwünschten.

Hundekontakte: Stress vs. Sozialisierung

Schicke deinen Hund nicht mit jedem wildfremden Hund in Kontakt! Auch nicht, nachdem er sich ein bisschen beruhigt hat. Das ist keine Sozialisierung, auch, wenn viele Menschen es dafür halten. Fremde Hunde sind immer Unsicherheitsfaktoren und bedeuten immer eine gewisse Aufregung – für den einen weniger, für die allermeisten jedoch mehr. Das, was vielleicht nach Interesse, nach Spiel und nach Spaß aussieht, ist hoher Wahrscheinlichkeit nach deeskalierendes Verhalten, um einem potentiellen Konflikt den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Hundekontakte: Qualität statt Quantität

Such dir gute, ruhige, faire Hundekontakte in deinem Umfeld und macht gemeinsam Leinenspaziergänge. Wähle den Abstand so, dass dein Hund das halbwegs entspannt schafft, sodass du mit der Zeit den Abstand verringern kannst. So lernt dein Hund, dass die Anwesenheit anderer Hunde gar nicht mal so viel Grund zur Aufregung ist – ob positiv oder negativ. Wenn es nach mehrmaligen Spaziergängen zwischendurch passt, die Hunde sich aufeinander eingestellt, aneinander gewöhnt haben, könnt ihr auch mal die Leinen abmachen. Am besten lässt du nur deinen und einen weiteren Hund miteinander in den Freilauf, bei mehreren kann es ganz schnell in zu hohe Dynamik und damit in unnötige Konflikte kippen. Lasst die beiden kurz frei kommunizieren, sofern das ruhig und nett abläuft, oder sogar spielen, macht die Leinen wieder dran und geht ruhig weiter.

Alles Gute 😉

Mit diesen wenigen Tipps hast du schonmal eine gute Basis, um deinen Hund in der Pubertät zu unterstützen. Zeig ihm, dass du gute Entscheidungen triffst, seine Not siehst, ihn aus überfordernden Situationen leitest und für ihn da bist. Das wird deinen Hund nachhaltig beeindrucken und langfristig für mehr Harmonie und Respekt sorgen.

– geschrieben von Martina

 

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